Brok fordert Solidarität

Flüchtlingskrise: Europaparlamentarier spricht bei Kreistagung der Christl.-Demokrat. Arbeitnehmerschaft

»Was hat denn der Limes den Römern genutzt?« Der Europaparlamentarier Elmar Brok hat einen weiten Bogen gespannt, um den Gästen der Kreistagung der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft eindringlich zu vermitteln: Europa muss angesichts der Flüchtlingskrise an einem Strang ziehen.
Europaabgeordneter Elmar Brok in Bad OeynhausenEuropaabgeordneter Elmar Brok in Bad Oeynhausen
Wer seit mehr als 35 Jahren auf höchster internationaler Ebene Politik begleitet, kennt sich bestens aus mit Solidaritäten, wirtschaftlichen Verflechtungen und Individualismen der einzelnen Staaten. Elmar Brok konnte darum wie wohl kein Zweiter aus anspruchsvoller Perspektive die Problematik der Flüchtlingskrise erläutern. »70 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlfahrt haben wir geschafft. Kein Wunder, dass Deutschland ein so attraktives Einwanderungsland ist«, stellte der Staatsmann in den Raum. Und: »In Europa teilen sich etwa sieben Prozent der Weltbevölkerung 25 Prozent des Weltvermögens.« Dieses hohe Wohlstandsniveau gemahne zu Solidarität und geeinten Maßnahmen in dieser, so wörtlich, »Jahrhundertkrise«, forderte Brok.

Verantwortlich für den enormen Flüchtlingszustrom seien Globalisierung, Klimawandel und kriegerische Konflikte. Brok nannte das Flüchtlingsdrama einen »Proxi-War«, zu deutsch einen »Stellvertreterkrieg«. »Wir erleben quasi eine neue Völkerwanderung«, führte er mit Rückblick auf die Geschichte aus: »Allein zwölf Millionen Flüchtlinge um Syrien und Irak herum.« Dies zu bewältigen werde Jahre dauern, erfordere Geduld und Konsens. Kurzschlussreaktionen seien kontraproduktiv, mahnte der Politiker: »Lieber zehn Jahre verhandeln als ein Jahr Krieg.« Bei aller Empathie für die Nöte einzelner Länder forderte der Humanist Brok einen Schulterschluss Europas, letztlich vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes: »Wir können nicht nur, wir müssen es uns leisten, diese Dramatik mit aller Mühe zu beenden.«

Der Europaparlamentarier lobte die aktuelle Verabschiedung des Asylpakets II. Konsequentere Organisation und optimierte Logistik seien zwingend erforderlich. Doppelregistrierungen müssten unterbunden, Abläufe beschleunigt werden. »Dann wird auch in der Bevölkerung das Vertrauen wieder wachsen, dass wir damit fertig werden.« Eindringlich, fast beschwörend mahnte Brok, Neid und Missgunst dürften keinen Platz beanspruchen in dieser Diskussion. »Wir müssen von unserem Reichtum abgeben, damit wir nicht am Ende selber verarmen«, forderte er mit Blick auf die hohe Exportabhängigkeit Deutschlands – weniger Sentimentalität als klare Berechnung. Gute Handelsbeziehungen könnten aber auch zukünftig nur vor dem Hintergrund gegenseitiger internationaler Wertschätzung gedeihen. Abschottung, Nationalismus und Alleingänge seien höchst kontraproduktiv – und gefährlich: In diesem Zusammenhang nannte Elmar Brok die Sprache von AfD, Le Pen und anderen »beängstigend«.

Eine feine Unterströmung aus jahrzehntelanger politischer Erfahrung und gereiften humanistischen Idealen wurde spürbar, als Brok seine Ausführungen auf eine zentrale Aussage verdichtete: »Nationalismus ist Ausdruck von Minderwertigkeit«. Und mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in den Nachbarländern: »Wollen wir etwa 25 Jahre nach dem Fall der Mauer wieder Stacheldraht um jedes Land ziehen?« Eine Frage, die wie eine Drohgebärde über dem Ausklang des Vortrags schwebte.